Terrence Malick-Retrospektive im Arsenal
Das Kino "Arsenal" zeigt im Mai eine Retrospektive mit Filmen von Terrence Malick. Bis auf sein neues Meisterwerk To The Wonder, der Ende Mai in Deutschland startet, wird die Retrospektive nicht nur vollständig sein. Sein skandalös unterschätztes Meisterwerk The New World wird in zwei Fassungen zu sehen sein, der 135-Minuten-Version, die in den meisten Ländern im Kino zu sehen war und erstmalig in Deutschland die 172 Minuten lange erweiterte Version, die zweifelsfrei die bessere ist.
Die Retrospektive ist längst überfällig. Mit Malick´s letzten drei Filmen verhält es sich immer so: erst werden sie ausgebuht, ausgelacht und von vielen verrissen. Und ehe der nächste Film, des für mich wichtigsten amerikanischen Regisseurs seit John Ford, dann fertig ist, sind die jeweils letzten dann bereits auf dem Weg, Klassiker zu werden. Mit nur 6 Filmen in 40 Jahren ist Malick eine der schillerndsten Figuren im narrativen amerikanischen Kino (die 80er Jahre war er nicht aktiv) geblieben.
Und natürlich ist sein vielleicht persönlichster Film The Tree of Life dabei, dessen Grossartigkeit man nicht genug würdigen kann. Klar gab es viele, die den Film für esoterischen Kitsch hielten, sich dabei aber nicht entblödeten sich für den Arthaus-Trash wie Lars von Trier´s Melancholia zu begeistern. Selbst Rudolf Thome, einen Filmemacher, den ich eigentlich sehr bewundere, musste einen völlig unqualifizierten und abwertenden Kommentar auf seiner Tagebuchseite von sich geben.
Wirklich schwer zu verstehen sind die Filme von Terrence Malick eigentlich nicht - und man muss keinesfalls Heidegger gelesen haben, um sich einen Zugang zu ihnen zu bahnen. Man wird sich an menschliche Gesichter erinnern, wie man es sonst nur bei Filmen wie Dreyer oder Ghatak kann. Seine Filme bieten unter anderem das schönste Filmlicht, was das gegenwärtige Weltkino zu bieten hat. Malick´s Filme sind ergreifend in ihrer Authentizität, jede Einstellung erscheint als wirklich gelebt und gefühlt bevor sie den Apparaten des Kinos anvertraut wurde. Sie können mitunter heftig sein, aufwühlend wie die Filme des grossen Inders Ritwik Ghatak und nicht zuletzt von einer grossen Liebe und Zärtlichkeit gegenüber allem, was lebt wie bei den Filmen von Jean Renoir. Und neben den ganz spezifischen Elementen, die einen jeden Film von Terrence Malick unverkennbar macht, erscheinen sie gleichzeitig so tief verwurzelt in der Geschichte des Kinos.
Ende Mai startet also To The Wonder, der seinen Titel zu Recht trägt. Das "Arsenal" bietet mit seiner Werkschau die perfekte Einstimmung auf das neue Meisterwerk, was ich in aller Bescheidenheit einfach mal schon den Film des Jahres nenne.
Wunder sind alle seine Filme - und vor allem die letzten vier seit seinem Comeback mit The Thin Red Line.
Wenn das zutrifft, was Jean-Marie Straub einmal über Peter Nestler gesagt hat ("Der macht Filme wie man atmet. Das schafft nicht einmal der Godard"), dann trifft das ganz sicher auf die Filme von Terrence Malick zu.
Rüdiger Tomczak
Und hier der Link zum Arsenalprogramm im Mai.